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Channel: Souvenir – Team 76 / Seventy6 feat. TJ. – Dosenhausen
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Die Dosensuche könnte so einfach sein, wenn die Versteckerei nicht wäre und die Versteckerei könnte so einfach sein, wenn es keine Reviewer gäbe. Und keine Guideline. Und keine Nutzungsbestimmungen. Und keine Besserwisser. Und keine Eigentümer. Und keine Jäger. Und vor allen Dingen keine Sucher. Zumindest nicht die, die Kurzlogs schreiben. Und nicht die, die den Cache schlecht machen. Nicht die, die nicht gleichwertig tauschen. Auch nicht die, die Reisende zu lange behalten. Und schon gar nicht die, die „NA“ loggen. Das sind alles „(Hier könnte Ihr Lieblings-Schimpfwort stehen)“.

Blöd nur, dass es die bzw. das alles gibt und die böse Statistik noch dazu. Das erzeugt Leidensdruck und Druck benötigt ein Ventil bevor irgend etwas platzt.

Aber woher rührt dieser Leidensdruck und diese Unzufriedenheit? Resultiert sie aus der Masse?

Autofahren in den 70ern war schließlich auch deutlich entspannter, als heute. Die Autos waren nicht ganz so schnell, die Straßen leerer und in besserem Zustand und wenn man mal etwas „zügiger“ unterwegs war, wurde auch seitens der „Rennleitung“ zuweilen ein Auge zugedrückt. Heute sind Staus und verstopfte, kaputte Straßen die Tagesordnung und der Fahrspaß ziemlich eingeschränkt.

Geocachen um die Jahrtausendwende war schließlich auch deutlich entspannter, als heute. Die Dosen waren nicht ganz so klein, die Wälder leerer und in besserem Zustand und wenn eine Station mal etwas weniger der Guideline entsprach, wurde auch seitens der „Approver“ zuweilen ein Auge zugedrückt. Heute sind Abstandskonflikte und winzige oder kaputte Dosen die Tagesordnung und der Cachespaß ziemlich eingeschränkt.

Früher war eben alles besser; Jäger, Waldbesitzer und LostPlace-Eigentümer noch nicht so sensibilisiert, die Cachedichte geringer, die Dosen anspruchsvoller und viel weniger Sucher unterwegs. Da beißt keine Maus den Faden ab und wer’s nicht mitgemacht hat, kann auch nicht mitreden. Früher gab es keine Powertrails. Wenn man früher eine Runde minimalabstandsplatzierter Dosen in den Wald warf, las man: „Mach’ einen Multi draus, dann kann ich ihn veröffentlichen.“ Aber das hätte man sowieso gemacht, allein schon aus Respekt vor den von weit anreisenden Geocachern. Und wenn man was nicht fand, kam man eben noch mal wieder. Da gab’s noch keine Telefonjoker und in den meisten Wäldern auch kein Netz. Da wurde zuerst mit den Augen gesucht, dann vorsichtig mit den Händen und nicht alles zertreten und umgewühlt. Da gab’s keine Cacherautobahnen. Woher ich das weiß? Ich habe die letzten drei Jahre von „Früher“ schon aktiv erleben dürfen, bevor „Früher“ im Jahre 2008 sein spontanes Ende fand.

Darum: Früher war alles besser, auch wenn diese Wortwahl einige meiner Leser möglicherweise zu spontaner kollektiver Betroffenheit anregt, weil sie ggf. der Ansicht sind, dass heute „wenn überhaupt“ alles „anders“ ist, aber keinesfalls „schlechter“, weil „schlechter“ quasi eine direkte Negativwertung darstellt und man so was ja gar nicht sagen bzw. schreiben dürfe.

Ok, früher war alles anders. Nämlich besser! Und das ist vermutlich der Grund, warum viele der alten Weggefährten die Segel gestrichen und ihre Caches archiviert haben. Leider!

Und das wäre eigentlich schon wieder ein guter Vorwand für einen kollektiven Betroffenheitssturm, wenn, ja wenn die Betroffenenheitskollektivisten die betroffenen Cacher von früher kennen würden…

Und jetzt? Die alten Zeiten kommen nicht wieder. Genauso, wie nicht damit zu rechnen ist, dass sowohl die Schlaglöcher in unseren Straßen als auch Staus, Drängler und Gurker verschwinden, wird sich auch die Geocachesituation nicht verbessern. Da hilft kein Nöhlen, kein Weinen und auch kein Echauffieren in diversen Foren. Hier ist Anpassung gefragt; Federweg gegen Schlaglöcher, Automatik gegen Gekuppel und Leistung für den schnellen Kurzgeradenüberholsprint. Doch gibt’s was adäquates für die Dosensuche?

Ratehaken gegen den FTF-Wahn?

Langstreckenmultis und Feldrätseltradis gegen den schnellen Fund?

Loglöschung gegen Fotologs?

„Tütencaches“ gegen „Etepitetesaubercacher“?

Zumindest in Sachen Hygiene hat sich ja etwas getan. Filmdosen waren bekanntlich nicht wasserdicht und wurden weiträumig vom gemeinen PETling verdrängt; genauso, wie der althergebrachte Tütencache der Lock&Lock-Dose wich. Dennoch, am Zustand des Inhalts hat sich kaum etwas geändert, denn er ist trotzdem oftmals klamm und schimmelig. Früher zog das Wasser hinein, weil die Dose undicht war; heute, weil die offene Dose beim Loggen im Regen steht. Die Technik ersetzt leider nicht immer den Verstand, oder wie einst ein Finder schrieb: „Das Blaue gehört nach innen!“ – womit übrigens die Deckeldichtung gemeint war. So liederlich, wie ihm von der Wegwerfgesellschaft anerzogen, so geht manch’ moderner Cacher mit dem Eigentum anderer Leute um – sei es mit der Dose oder dem ganzen Drumherum. Kein Wunder also, dass dem einen oder anderen die Lust vergeht. Die Hoffnung, dass sich mittelfristig etwas ändert, stirbt wie jede Hoffnung; zwar zuletzt, aber letztendlich doch.

Aber bevor sie das tut, feiern wir erst einmal 15 Jahre Dosensuche.

Das ist doch auch was und dafür gibt’s sogar ein Souvenir für den virtuellen Rollator; wie damals, als man sich noch kleine Wappen ans Wanderstöckchen nagelte. Zumindest aber um Längen besser, als diese inflationären Cachewerbebanner der Owner, die manche Profilseite zieren, wie die über Jahre gesammelten Freizeitparkaufkleber die Heckscheiben der Familienkutschen der 80er Jahre. Seht alle her, wir hatten Spaß und konnten’s uns leisten…


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